<
>
Sultan Erdogan

Osmanische Stiefel

von Gastautor

07.01.2020

| Lesedauer: < 1 Minuten
Das türkische Parlament hat den Einsatz türkischer Soldaten in Libyen durchgewunken. Präsident Erdogan bekommt damit einen zweiten Flüchtlingshebel in die Hand, mit dem er die Europäer erpressen kann.

Auf alten Landkarten des 18.und 19. Jahrhunderts werden die Gebiete Nordafrikas, insbesondere Libyens als „Barbarie“ bezeichnet. Dort herrschten Stammesfürsten mit brutaler Gewalt, aber ihre Zerstrittenheit machte es den Osmanen, Briten und Franzosen leicht, sie gegeneinander auszuspielen.

Mehr als ein regionales Kräftemessen

Heute ist die Lage ähnlich. Libyen ist in seine tribalen Strukturen zerfallen, fremde Mächte versuchen, sich die Reichtümer – geopolitische Lage, Öl und Gas – nutzbar zu machen. Russland und Frankreich unterstützen General Haftar, der nach Gaddafis Ende mit eiserner Hand, arabischem Geld und russischen Waffen den Osten des Landes unterwarf und seit acht Monaten auf Tripolis vorrückt. Dort halten die UNO und die EU sowie Katar und die Türkei die wankende Regierung Saradsch diplomatisch und mit Waffenlieferungen im Sattel. Es ist mehr als ein regionales Kräftemessen. Der Mittelmeerraum wird Zeuge eines Stellvertreterkriegs, der auch über die Migrationspolitik und Energieversorgung Europas entscheidet. Hier will der neue Sultan Erdogan, der durchaus in historisch-größenwahnsinnigen Kategorien denkt, ein entscheidendes Wort mitreden. Der osmanische Stiefel soll wieder in Nordafrika auftreten.

Mehr als 700.000 Flüchtlinge warten in Libyen

Das Parlament ist in Ankara seinem Wunsch nachgekommen und hat den Einsatz türkischer Soldaten in Libyen durchgewunken. Sollte es Erdogan gelingen, die Regierung Sarradsch zu stabilisieren, bekommt er einen zweiten Flüchtlingshebel in die Hand, womit er die Europäer erpressen kann. Mehr als 700.000 Flüchtlinge vorwiegend aus Afrika halten sich derzeit in Libyen auf. Sie streben nach Europa. Und zweitens kann er quasi so nebenher stärker türkischen Einfluss auf die Erdöl- und Gasfelder im östlichen Mittelmeer geltend machen. Erdogan will Rache für Lepanto und Wien. Aber sein Kalkül hat viele Unbekannte, zum Beispiel Russland und Frankreich. Und auch die Stammesfürsten an den fremden Küsten.


Dieser Beitrag von Jörg Liminski erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur

Unterstützen Sie unabhängigen Journalismus

Ihre Unterstützung hilft uns, weiterhin kritisch zu berichten.

Einmalig unterstützen

Monatlich unterstützen

Jährlich unterstützen

Liebe Leser!

Wir sind dankbar für Ihre Kommentare und schätzen Ihre aktive Beteiligung sehr. Ihre Zuschriften können auch als eigene Beiträge auf der Site erscheinen oder in unserer Monatszeitschrift „Tichys Einblick“.
Bitte entwerten Sie Ihre Argumente nicht durch Unterstellungen, Verunglimpfungen oder inakzeptable Worte und Links. Solche Texte schalten wir nicht frei. Ihre Kommentare werden moderiert, da die juristische Verantwortung bei TE liegt. Bitte verstehen Sie, dass die Moderation zwischen Mitternacht und morgens Pause macht und es, je nach Aufkommen, zu zeitlichen Verzögerungen kommen kann. Vielen Dank für Ihr Verständnis. Hinweis

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken