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Das Gegenteil von Erneuerung

Söder als Kanzler durch die Hintertür? Wenn Wahlparolen keine Rolle mehr spielen

28.09.2021

| Lesedauer: 3 Minuten
In der Union rumort es: Jetzt wird offenbar versucht, Markus Söder mit der Jamaika-Verhandlung zu beauftragen. Dass der überhaupt als Kandidast firmierte, spielt für die Union keine Rolle mehr. Die Führungsriege, die das alles versemmelt hat, findet in Laschet das ideale Bauernopfer.

In der Union rumort es: Wie das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ unter Berufung auf CDU/CSU-Kreise berichtet, soll es in der Parteienfamilie Bestrebungen geben, eine Jamaika-Koalition unter einem Unionskanzler voranzutreiben. Doch dieser Unionskanzler soll nicht Laschet sein: Stattdessen soll Söder gedrängt werden, das Zepter an sich zu reißen, und sich im Zweifel für die Wahl zum Bundeskanzler aufstellen zu lassen. Söder, der stets beliebter als Kanzlerkandidat Laschet war, hatte sich in der parteiinternen Auseinandersetzung am Ende nicht gegen den CDU-Parteiapparat durchsetzen können.

[inner_post 1] Jetzt, nach dem tiefen Fall Armin Laschets, erkennen Söder-Fürsprecher die Chance, den Franken nachträglich doch noch auf den Schild zu heben. Rückenwind bekommen diese Gedankenspiele von den Grünen: Dort zeichnet sich ab, dass Robert Habeck nach dem desaströsen Wahlkampf Annalena Baerbocks nun wieder in den Vordergrund drängen könnte. Auch Christean Wagner, Mitbegründer des Konservativen „Berliner Kreises“ der CDU/CSU, hat öffentlich solche Überlegungen angestellt. Zwar müsse Laschet kein schlechter Kanzler sein, meint das CDU-Urgestein: Aber Friedrich Merz oder eben Markus Söder könnten genauso eine Regierung führen. Die Sägegeräusche an Laschets Stuhl sind nicht zu überhören – genauso wie das Zähneklappern vieler Unionspolitiker aus Angst vor dem endgültigen Absturz der Partei. Die Rechnung Söders könnte darauf aufbauend einfach sein: Vielleicht haben Habeck oder Lindner am Ende gar keine Lust auf Scholz und Esken. Dann könnte er sich, ganz im Söder-Stil, von vorgeschickten Unionspolitikern „bitten lassen“ – und diesmal erfolgreich zugreifen.

Söder hatte gegenüber Laschet immer die besseren Beliebtheitswerte: Doch auch er hat die Wahl verloren und mit 31,7 Prozent der Zweitstimmen in Bayern das schlechteste CSU-Bundesergebnis aller Zeiten eingefahren. Auch wenn Kandidat Laschet daran sicherlich seinen Anteil hatte: Söders One-Man-Show in Bayern kam wohl auch nicht gut an. Der Ministerpräsident und seine CSU-Lakaien stichelten immer wieder gegen den Unionskandidaten Laschet – bis die CSU aufhörte, gegen ihren eigenen Kanzlerkandidaten Wahlkampf zu machen, vergingen Wochen. Wochen, in denen sich wohlmöglich viele Wähler genervt von den Schwarzen abwendeten. Doch jetzt soll der ungeliebte Kanzlerkandidat als Sündenbock vom Hof gejagt werden – als Bauernopfer, das von den wahren Problemen der Union ablenkt. Denn der Kern des Problems der schlechten Werte von CDU und CSU war nie Laschet.

[inner_post 2] Doch diese Erzählung soll nun gestrickt werden. Die bitter notwendige „Erneuerung“ der Union – sie soll ohne Armin Laschet geschehen, so scheint es längst beschlossene Sache zu sein. Doch die Köpfe, die sich nun in den Vordergrund drängen, sind alles andere als neu. Heute Nachmittag kommt die Unionsfraktion zusammen, um ihren Vorsitzenden zu wählen. Der Amtsinhaber Ralph Brinkhaus hatte Laschet mit seiner Bitte nach einer Verschiebung der Wahl eiskalt auflaufen lassen. Den möglichen Weg in die Oppositionsführung will Brinkhaus sich selbst sichern – und ihn damit Laschet verbauen. Sollten heute letzte Versuche, die Wahl aufzuschieben, scheitern, dürfte es zur Kampfkandidatur innerhalb der Fraktion kommen: Es gilt als sicher, dass auch Norbert Röttgen dann Anspruch auf die Fraktionsführung erheben würde. Auch Jens Spahn könnte seinen Hut in den Ring werfen – im Machtvakuum nach der Wahl droht der Hahnenkampf.

Doch Brinkhaus, Söder und Spahn sind alles andere als neu oder unverbraucht. Im Gegenteil – sie sind die führenden Köpfe der Unionspolitik der letzten 16 Monate. Als Gesundheitsminister hatte Spahn federführenden Anteil an der desaströsen Coronapolitik – einer Coronapolitik, die von Markus Söder als oberstem Lockdown-Paladin mitgetragen und von Brinkhaus in polemischster Art und Weise im Bundestag verteidigt wurde. Erneuerung ist das nicht – eher die altbekannte Truppe, die nach den letzten verbleibenden Pfründen greift. Die Hoffnung auf nochmal vier Jahre Ministerämter und Dienstwagen stirbt eben zuletzt. Sollte zu diesem Zwecke am Ende doch noch Söder als Ritter in aufpolierten Rüstung die Union von einem schlechten Wahlergebnis in eine Regierung retten, wäre das zwar demokratiepolitisch wenig schön. Aber wie schon die Berufung von Urusla von der Leyen zur Kommissionspräsidentin zeigte: Wenn es um Macht geht, war halt alles andere nur PR und Propaganda.

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