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Russlands Präsident geht aufs Ganze

Putin ernennt neuen Oberbefehlshaber – und will über 20.000 Reservisten in den Krieg schicken

09.04.2022

| Lesedauer: 3 Minuten
Aufgrund hoher Verluste und wenig Fortschritten im Krieg gegen die Ukraine ändert Moskau seine Militärstrategie. Für die Offensive im Donbass forciert Putin seine Reserven. Im Pentagon fürchtet man harte Kämpfe: „Das könnte sehr blutig und sehr hässlich werden“.

Aufgrund hoher Verluste und geringem Fortschritt im Krieg gegen die Ukraine ändert Moskau seine Militärstrategie. Die russischen Streitkräfte bemühen sich nach Ansicht des US-Verteidigungsministeriums, ihre Einheiten nach erheblichen Verlusten im Norden der Ukraine mit neuem Material und Soldaten wieder aufzustocken. Es gebe auch Berichte, wonach die Einheiten, die nun im Osten der Ukraine eingesetzt werden sollten, durch das Mobilisieren von Reservisten verstärkt werden könnten, sagte Pentagon-Sprecher Kirby. Das amerikanische Verteidigungsministerium spricht von 20.000 Mann, die an die Front geschickt werden sollen. Russland hat bereits Tausende zusätzliche Soldaten nahe der Grenze zur ukrainischen Stadt Charkiw zusammengezogen. Die Zahl der taktischen Bataillone in der Nähe der Stadt sei von 30 auf inzwischen 40 angestiegen. Im Pentagon geht man davon aus, dass Putin „mehr als 60.000 Soldaten“ mobilisieren lässt.

Die Reorganisation des Angriffes geht bis an die Spitze: Die BBC zitiert einen ranghohen westlichen Beamten, der bestätigt, dass Putin einen neuen Oberbefehlshaber für die Invasionsarmee ernannt hat. General Alexander Dvornikow, bisher Kommandant des südlichen Militärbezirks Russlands, sei das Kommando über die Operation übertragen worden. Dvornikow ist ein Veteran des russischen Syrien-Einsatzes und verfügt so über wertvolle Erfahrung – Erfahrung, die den schwer vorwärts kommenden russischen Streitkräften zugute kommen könnte. Mit dem neuen Befehlshaber wolle der russische Präsident Wladimir Putin versuchen, die verschiedenen Einheiten besser zu koordinieren, da die Truppen zuvor getrennt organisiert und befehligt worden waren, so der Beamte. Für seinen Einsatz im Syrien-Krieg wurde Dwornikow 2016 von Putin mit dem Heldenstatus ausgezeichnet. Offiziell wurde der Kommandowechsel von russischer Seite zunächst nicht bestätigt.

Das Ziel Moskaus: Dem Vormarsch im Donbass neues Leben einhauchen. Die „Befreiung“ der ostukrainischen Region war von Anfang an eines der zentralen Ziele von Putins sogenannter „Spezialoperation“. Außerdem ist er das bedeutendste Industriegebiet der Ukraine. Das viertgrößte Kohlefeld Europas mit schätzungsweise Reserven von über 10 Milliarden Tonnen befindet sich dort. Die starken ukrainischen Kräfte von rund 30.000 Mann sollen in einer Zangenbewegung geschlagen und die Region gesichert werden – davon geht auch die Nato aus. Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärt, Russland plane den gesamten Donbass zu erobern und sich einen Korridor zur besetzten Krim zu erkämpfen. Er sprach von „einer entscheidenden Phase des Krieges“. „Wir sehen jetzt eine erhebliche Truppenbewegung weg von Kiew, um sich neu zu formieren, neu zu bewaffnen und neu zu versorgen. Und sie verlagern ihren Schwerpunkt in den Osten. In den kommenden Wochen erwarten wir einen weiteren russischen Vorstoß in der Ost- und Südukraine, um zu versuchen, den gesamten Donbass einzunehmen und eine Landbrücke zur besetzten Krim zu schaffen“, sagte Stoltenberg vor dem Treffen der Nato-Außenminister am Dienstag in Brüssel. Der Gouverneur von Luhansk, Serhij Gaidai, berichtet von einem verstärkten russischen Beschuss der ostukrainischen Region. „Sie bündeln Kräfte für eine Offensive, und wir sehen, dass die Zahl der Granateneinschläge zugenommen hat.“

Das Ziel könnte sein, bis zum 9. Mai zumindest einen Teilerfolg verbuchen zu können. Der 9. Mai wird in Russland als Tag des Sieges über NS-Deutschland als Nationalfeiertag begangen. Nach dem Scheitern des Dreifrontenkrieges gegen die Ukraine könne die Truppenmassierung im Osten eine neue Phase des Krieges einleiten. Im Pentagon fürchtet man harte Kämpfe: „Das könnte sehr blutig und sehr hässlich werden“, so Sprecher Kirby. Der frühere US-Militärberater Douglas Macgregor  argumentiert, dass anders als in Afghanistan die unmittelbare Nachbarschaft der Ukraine dazu führe, dass „Putin einfach nicht verlieren kann – das wäre so, als ob die USA in Mexiko Krieg führen und verlieren würde“. Nach einer Niederlage wären feindliche Kräfte einfach zu nahe an Russlands Ressourcen.  US-Präsident Joe Biden habe versäumt, diesen Konflikt rechtzeitig zu beenden und lasse jetzt eine Ukraine einen Krieg führen, den sie nicht gewinnen könne.

Mehr zu Putins Donbass-Zange:

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