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Neues Wahlrecht:

Der Katzenjammer der Union

22.03.2023

| Lesedauer: 2 Minuten
Unionspolitiker klagen über die demokratiefeindliche Wahlrechtsreform und die Verfälschung des Wählerwillens. Die jetzt jammern, sollten sich daran erinnern, wenn sie bei nächster Gelegenheit wieder der AfD die ihr zustehenden Posten im Bundestagspräsidium und den Ausschüssen verweigern.

Und nun wird auch Merz wach. Es sei „übergriffig“, was die Ampel da macht gegenüber der Union. Gemeint ist die Änderung des Wahlrechts. Es geht dabei um die Direktmandate und die Fünf-Prozent-Klausel. Es könnte nämlich sein, dass die Union künftig weniger Direktmandate erhält. Und noch schlimmer: dass die bayerische CSU gar nicht ins Parlament kommt, wenn sie – bundesweit gerechnet – unter der magischen Fünf-Prozent-Grenze bleibt.

Letzteres ist natürlich Blödsinn, denn die CSU könnte eine Listengemeinschaft mit der CDU machen. Zum Schluss werden ja (vom Kreuth-Schock von 1976 mal abgesehen) die „Stimmen“ eh in einen Topf geworden: Man bildet traditionsgemäß eine gemeinsame Fraktion.

[inner_post 1] Letztlich geht es darum, dass der Bundestag endlich von seiner nordkoreanisch-chinesischen Mammutgröße wieder auf Normalmaß schrumpft. Und irgendwie muss das ja bewerkstelligt werden. Jahrelang haben CDU/CDU das mit ihren Mehrheiten und Präsidenten verhindert. Jetzt haben wir endlich eine Lösung.

Nein, an diesem ganzen Unions-Geschrei regt mich etwas ganz anderes auf. Es werden ja scharfe Geschützte aufgefahren: Was die Ampel da wolle, sei demokratiefeindlich, „verfälsche den Wählerwillen“ (Söder) und sei „Wahlrechtsmanipulation“ (Dobrindt). Man übertrifft sich an Abscheu und Empörung.

Ich wage es in aller Bescheidenheit, mal ganz kurz an etwas zu erinnern, was wirklich demokratiefeindlich, Wahlmanipulation und Verfälschung des Wählerwillens ist: Das, was wirklich alles auf den Kopf stellt, was wir an politischer Hygiene und Demokratiefreundlichkeit kennen, ist doch das, was CDU und CSU seit 2017 praktizieren.

[inner_post 2] Wie selbstverständlich sorgen gerade die Unionsparteien im Ältestenrat des Bundestages, durch die von ihnen gestellten Präsidenten (Schäuble) und schließlich durch das Abstimmungsverhalten von CDU und CSU dafür, dass eine frei und demokratisch gewählte Fraktion aller parlamentarischen Rechte beraubt wird. Seit 2017 bekommt einzig die AfD-Fraktion keinen Vizepräsidenten-Posten. Unzählige Versuche, immer wieder Kandidaten ins Rennen zu schicken, scheitern.

Mir sind Stimmen aus der Union, die in diesem Zusammenhang von Demokratiefeindlichkeit oder Wahlmanipulation sprechen, völlig unbekannt. Im Gegenteil. Man verkauft das der staunenden Öffentlichkeit als völlig normal, ja geradezu notwendig.

In der ersten Legislaturperiode bekam die AfD wenigstens die ihr zustehenden Ausschussvorsitzenden. Dies blockiert man nun auch noch seit der jüngsten Wahl. Kurzum: Diese frei und demokratisch gewählte Partei, die man weder mögen noch unterstützen muss, bekommt kein einziges parlamentarisches Recht. Ganz anders als zum Beispiel der SED-Nachfolger mit immer noch zweifelhaften Abgeordneten. Im Gegenteil: Der große CDU-Staatsmann Günther aus Kiel ist ja sogar für eine Art Zusammenarbeit mit den Linken und behauptet, dieser Alt-SED-Kader stehe der CDU weit näher als die Schwefelpartei.

[inner_post 3] Um es klar zu sagen: Ich spreche es CDU und CSU einfach ab, jetzt die großen Verteidiger der parlamentarischen Demokratie zu spielen. Nein, man könnte es auch ganz anders sehen, vor allem als Partei mit dem C: Kleine Sünden bestraft der liebe Gott sofort. Und große können sogar zur Vernichtung führen.

Es sei denn, man tut Buße. Ich jedenfalls warte auf das nächste Mal, an dem die AfD ihre parlamentarischen Rechte einklagt und erneut Kandidaten für die ihr zustehenden Posten in Präsidium und Ausschüssen des Bundestages präsentiert. Dann können Merz, Söder und Co ihre Demokratiefreundlichkeit unter Beweis stellen. Solange halte ich das, was jetzt aus dem Schwarzen Block kommt, für reinen Katzenjammer.


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